KI bei TRUMPF: Wie Maschinen sehen lernen
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Das Computer-Vision-Team von TRUMPF bringt Künstlicher Intelligenz (KI) bei, Daten korrekt einzuordnen. Dafür kategorisieren die Experten auch mal 100.000 Bilder von Hand. Professor Dr. Sepp Hochreiter von der Universität Linz in Österreich, ein Pionier beim Thema KI, hat vor fünf Jahren den Maschinenbauern zugerufen: „Vermasselt es nicht!“ Auch heute wünscht er sich mehr Tempo und viel mehr Daten – ist aber begeistert von dem, was in Ditzingen passiert.
„Blech ist grundsätzlich der Feind jeder Kamera!“, sagt Korbinian Weiß. Seit Jahren versucht er, die beiden einander näher zu bringen. „Blech spiegelt, es biegt sich, ist dünn, kann wabbeln und jede Form haben.“ Eine Kamera tut sich schwer, Blech überhaupt zu erkennen. Künstliche Intelligenz (KI) hilft, eben solche Probleme immer besser zu lösen.
DATEN ALS FUNDAMENT
Weiß leitet das KI-Bilderkennungsteam bei TRUMPF in Ditzingen. Wenn es nach ihm ginge, wären beispielsweise in der TruLaser Center 7030, dem ersten Laservollautomaten von TRUMPF, mindestens 24 Kameras installiert. Aktuell sind es „nur“ zwölf, die Unmengen von Bildern und Videoclips liefern. Sie bilden zusammen mit vielen anderen Daten die Basis für die Weiterentwicklung der Maschinen und für ganz neue Produkte, sie sind sozusagen das Fundament für die Arbeit des Computer-Vision-Teams. Aber wo ist eigentlich die KI oder auf Englisch AI, „Artificial Intelligence“, wenn eine TruLaser Center 7030 ein Blech nach dem anderen schneidet? Eine Begriffsklärung kann helfen: KI ist ein wissenschaftlicher Forschungsbereich mit vielen Teilbereichen. Maschinelles Lernen ist einer davon. Damit Maschinen wie die TruLaser Center 7030 „lernen“ und in der Folge noch besser und effizienter funktionieren können, benötigen sie Werkzeuge und Methoden in Form entsprechender Software. Maschinelles Sehen, Spezialisten sprechen auch von Computer Vision, ist eine dieser Methoden.
LÖSUNG FÜR DEN SORTING GUIDE
Korbinian Weiß ist eigentlich Maschinenbauer, hat aber schon früh bei TRUMPF softwaregesteuerte Projekte entwickelt. Er war Projektleiter beim TRUMPF Sorting Guide, für den ursprünglich kein Einsatz von KI geplant war. Der Sorting Guide sollte mit ganz klassischen Algorithmen arbeiten. „Das hat bei uns in der Versuchshalle super funktioniert, wir hatten Top-Ergebnisse“, erzählt der 37-Jährige. Dann sind sie damit zum Testkunden gegangen – „und nichts hat funktioniert“. Das Problem waren die Lichtverhältnisse. Die vielen hellen und dunklen Materialien, spiegelnden Oberflächen und Gegenstände im Umfeld überforderten die Algorithmen. Weiß: „Das haben wir nur mit KI in den Griff bekommen.“ Grundlage waren mehr als 100.000 Bilder, die das Computer-Vision-Team erst einmal von Hand labeln, also klassifizieren musste. Mit der Information, ob auf einem Bild ein Blechteil zu sehen war oder eben nicht, und den entsprechenden Algorithmen konnte es die Software „trainieren“, um die Vorhersagegenauigkeit in unzähligen Trainingsschleifen immer weiter zu verbessern.
NICHT IMMER KI
„Nur fünf Prozent sind KI, 95 Prozent sind Daten”, erklärt der 37-Jährige die Arbeitsweise seines Teams – und die eigentliche Herausforderung: „Daten überhaupt erst einmal sammeln, Daten kuratieren, Daten labeln, Datensätze für unterschiedliche Problemlösungsziele zusammenstellen, die richtige Balance in den Daten finden …“ Manchmal reichen klassische Algorithmen völlig aus, um ein Kundenproblem zu lösen. Immer öfter aber nicht. Seit der Entwicklung des Sorting Guide, den TRUMPF 2020 auf den Markt gebracht hat, hat sich im Bereich Computer Vision viel getan. Nicht nur die Technik und die Algorithmen-Datenbanken sind besser geworden, auch die Denkweise hat sich verändert. „Wenn wir heute Produkte entwickeln, denken wir immer schon an die Daten“, sagt Weiß. Deswegen sind in der TruLaser Center 7030 Kameras verbaut und deswegen sind ganz neue Geschäftsmodelle möglich. Dazu gehört beispielsweise das neue Pay-per-Part-Modell von TRUMPF.
NACHTSCHICHT REMOTE
Bei diesem Geschäftsmodell steht das vollautomatisierte Flaggschiff des Hochtechnologieunternehmens zwar beim Kunden in der Halle und produziert dort die gewünschten Teile, die Steuerung übernimmt aber ein TRUMPF Team am Standort Neukirch in Sachsen im Drei-Schicht-Betrieb, also auch nachts. Die Kameras ermöglichen dem Team Einblicke tief in die Maschine und liefern pausenlos Daten. Sollte einmal ein Blechteil hängen bleiben, zeichnen die Kameras einen Videoclip von einigen Sekunden vor dem Ereignis bis einige Sekunden danach auf. Damit wiederum kann die KI trainieren, solche Fehler künftig zu vermeiden. Effizienterer Maschineneinsatz, längere Laufzeiten, höhere Stückzahlen, Materialersparnis, Wartungsvorhersagen, Assistenzsysteme – die Einsatzmöglichkeiten von KI sind vielfältig und stehen gerade noch ganz am Anfang. „Im Vision-Bereich passiert gerade sehr viel“, sagt Korbinian Weiß und freut sich auf das Jahr 2024. Zum Beispiel werden smarte Kameras, auf denen selbst KI zum Einsatz kommt, bald ein Thema in den Maschinen von TRUMPF werden.
AUFWACHEN!
„Vermasselt es nicht!“, hat Professor Dr. Sepp Hochreiter vor fünf Jahren bei der Hannover Messe den deutschen Maschinenbauern zugerufen. „Vermasselt den Vorsprung im Anlagenbau nicht.“ Der Maschinenbau sei blind, halte nicht wie Facebook oder Apple dauernden Kontakt zum Kunden, analysiere seine Daten nicht, sofern er sie überhaupt habe. „Maschinenbauer und Anwender müssen aufwachen. Professor Hochreiter gilt weltweit als Koryphäe für Künstliche Intelligenz. Der gebürtige Niederbayer leitet das Institut für Machine Learning der Johannes-Kepler-Universität Linz und das Labor für Artificial Intelligence dort. Im vergangenen Jahr erhielt er den Deutschen KI-Preis der Medienmarke „Welt“ des Axel-SpringerKonzerns. Es ist der höchstdotierte Preis seiner Art in Deutschland.
Aktuell arbeitet Hochreiter unter anderem an einem eigenen Sprachmodell, das ChatGPT weit überlegen sein soll. Auch heute, fünf Jahre später, sagt er: „Der Weckruf gilt immer noch.“ Der Maschinen- und Anlagenbau sei zwar gerade auch im Südwesten sehr gut unterwegs, aber heute gehe es nicht unbedingt darum, die beste Maschine zu bauen, sondern das beste Drumherum. Er beobachtet genau, was gerade bei dem Thema passiert – und ist begeistert von TRUMPF. „Das machen die dort sehr gut!“
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