Lohnt sich Industrie 4.0, Digitalisierung und IIoT im Schneidbetrieb?
Sprungverzeichnis zu den Themen auf dieser Seite:
- Lohnt sich Industrie 4.0, Digitalisierung und IIoT im Schneidbetrieb?
- Digitalisierung ist nicht gleich Automatisierung
- Was ist IIoT?
- Industrie 4.0: Von der Theorie zur Praxis
- Use-Cases für die Schneidindustrie
- Was ist eine OPC-UA Schnittstelle?
- Was bringt mir die Digitalisierung in meinem Betrieb?
- Ist eine "prädiktive Wartung" bereits Industrie 4.0?
- Lieber "Industrie 3.0" in der Hand als "Industrie 4.0" auf dem Dach!
Industrie 4.0 ist ein Begriff, der 2011 von der Forschungsunion der Bundesregierung ins Leben gerufen wurde und der sich auf ein konkretes Forschungsprojekt der Hightech-Strategie gründet. In diesem Projekt geht es darum mit Hilfe moderner Informations- und Kommunikationstechnik die industrielle Produktion so zu verzahnen, dass eine weitestgehende selbstlernende und sich selbst organisierende Produktion möglich wird, die Produktionsmittel, Maschinen, Anlagen, Logistik, Menschen und Produkte so miteinander kommunizieren und agieren lässt, dass alle Produktionsschritte der Wertschöpfungskette eines Produktes, von seiner Entwicklung, über seinem Einsatz, seiner Benutzung bis zum ordnungsgemäßen Recycling vernetzt und gesteuert werden können.
Aus Sicht der ökologischen Gesichtspunkte sicher kein schlechter Gedanke. Denn mit Hilfe eines derart vernetzten Systems könnte man unnötige Produktionen vermeiden, somit Ressourcen einsparen, Lagerkapazitäten abbauen, redundante logistische Transportfahrten reduzieren und damit Umwelt entlasten.
Damit aber auch der ökonomische Gedanke nicht zu kurz kommt, sind nun die Unternehmen gefragt, sich neue Geschäftsmodelle, Use-Cases auf dieser Basis zu überlegen und umzusetzen. Hierzu schüttet der Bund hohe Summen an Fördermitteln aus und unterstützt durch die Schaffung einer besseren Highspeed-Netzstruktur den damit zusammenhängen erhöhten Datenfluss.
Dieser Aufforderung nachzukommen ist den Industrieausrüstern nicht schwer gefallen. Getrieben von der Entwicklungspower großer Konzerne mit hohem Serienfertigungsanteilen, die beispielsweise Sensoren, Aktuatoren, Antriebe, elektronische Geräte, Steuerungen etc. produzieren, wurden schnell Erfolge in der Umsetzung des Industrie 4.0-Gedankens erzielt und ermutigten andere, diesen Gedanken aufzugreifen.
Passende Geschäftsmodelle wurden entwickelt, beispielsweise die "prädiktive Wartung" oder die App, die eine bequeme Auslastungssteuerung und Produktionsüberwachung an jedem Ort der Welt ermöglicht.
Doch wie verhält sich die Integration von Industrie 4.0 in Schneidbetrieben? Viele Schneidbetriebe kennen den Begriff er Kleinlosigkeit, das bedeutet das Gros der Aufträge umfasst im Durchschnitt nur wenige Positionen mit geringer Stückzahl, was im Umkehrschluss eine hohe Flexibilität des Zuschneidbetriebes erforderlich macht. Besitzen Schneidbetriebe ein genügend hohes Einsparpotenzial, damit eine Digitalisierung sich überhaupt lohnt?
Doch vielleicht müssen wir die Frage einfach umstellen und generieren ein Axiom: Erst unter Zuhilfenahme einer sinnvollen Digitalisierung im Rahmen von Industrie 4.0 sowie durch Automatisierungsmaßnahmen können diese Einsparungspotentiale überhaupt entdeckt und geborgen werden.
Wir stellen Ihnen hier einige Möglichkeiten und Konzepte zum Thema Digitalisierung im Schneidbetrieb im Rahmen von Industrie 4.0 vor.
Was ist der Unterschied zwischen Digitalisierung und Automatisierung?
Digitalisierung ist ein Begriff, der sich von Automatisierung unterscheidet.
Die Automatisierung kann lokal an einer Maschine erfolgen und sie kann in Analog-Technik dezentral ausgeführt werden, also dem genauen Gegenteil einer Digitalisierung. Bei der Automatisierung geht es darum wiederkehrende oder langwierige Handlungen oder Prozesse durch Adapation von Hilfsmitteln schneller, präsziser, sicherer zu gestalten. Beispielsweise spricht man von einer Automatisierung, wenn eine alte Laserschneidanlage durch den Umbau auf ein Wechseltischsystem mit Lageranbindung erheblich wirtschaftlicher und schneller produzieren kann. Oder eine alte Plasmaschneidanlage wird durch eine neue CNC-Steuerung mit neuen Antrieben automatisiert und erhält so die Vorteile schneller, systemoffener, bedienungsfreundlicher zu werden. In all diesen Beispielen wurde automatisiert, jedoch nicht zwingend digitalisiert.
Die Digitalisierung hingegen umfasst etwas anderes, es geht dabei um die Erfassung von Prozess- und Fertigungszuständen in digitaler Form. Das eine muss nichts mit dem anderen zu tun haben. So kann man beispielsweise eine Autogenschneidanlage durch bestimmte Vorrichtungen wie automatische Zündvorrichtungen, automatische Höhensteuerung oder Brennerdistanzverstellung wunderbar automatisieren, ohne dass diese Maschine digitalisiert zu sein braucht. Im Gegenzug kann man eine alte unwirtschaftlich arbeitende Schneidmaschine digitalisieren, ohne dass diese wirtschaftlich automatisiert arbeitet.
Man erkennt, beides ist wichtig. Es gilt der Grundsatz „digitalisiere einen schlechten Prozess und du bekommst eine schlechte Digitalisierung“. Dies meint, wenn die Systeme und Prozesse nicht optimal laufen, wird man sie durch eine Digitalisierung nicht automatisch verbessern. Eine Digitalisierung kann unter Umständen nicht einmal die Ursache für Missstände aufzeigen, denn dazu müsste die Software wissen, dass ein Prozess sich noch optimieren lässt und auch, durch welche Maßnahmen dies erfolgen kann. Eine Digitalisierung kann die Auslastung, die Betriebs- und die Stillstandszeiten etc. aufzeigen, sie kann dem Betreiber aber nicht sagen, dass er dynamischere Vorschubachsen benötigt oder einen schnelleren Wechseltisch. Digitalisierung macht die Prozesse transparent. Welche Maßnahmen aus der Bewertung des Zahlenmaterials, der KPIs in Folge daraus vorzunehmen sind, entscheidet die Betriebsleitung. Sind Anlagen oder Prozesse nicht effizient, so erkennt man dies, wenn Marktbegleiter preiswerter fertigen oder wenn ein externer Berater oder der Maschinenhersteller das Unternehmen auf neue und verbesserte Systeme hinweist. Die Digitalisierung kann nicht wissen, welche Automatisierungskomponenten ein Maschinen- oder Softwarehersteller in petto hat oder welche Rationalisierungsmaßnahmen noch getroffen werden können. Dies heraus zu finden, obliegt der Verantwortung der Entscheider.
Vor "Industrie 4.0" war CIM der Garant für automatisierte und optimierte Fertigung
Übrigens, das Thema "Automatisierung und Rationalisierung" gibt es nicht erst seit dem Stichwort "Industrie 4.0". Schon in den frühen 1980er Jahren haben sich Automatisierer wie Siemens mit dem CIM-Gedanken (Computer Integrated Manufacturing) befasst. Automatisierung ist so alt, wie die Industrie. Schon immer lag es im Wesen des Menschen, Prozesse und Handgriffe zu rationalisieren und sich selbst zu optimieren. Der dahinter stehende Sinn liegt in der Gewinn-, Zeit- und Ressourcen-Optimierung. Diesen CIM-Gedanken möchten wir an dieser Stelle, frei von genormter Nomenklatur, einfach mal Industrie-3.0 taufen und im weiteren erörtern.
Als Vorreiter in dieser Technik gelten seit den 1970er Jahren Siemens, Bosch, ABB und andere Elektronik- und Automationskonzerne. In der Stahlerzeugung hat die prozessorientierte Automatisierung, die Prozessautomatisierung, schon früh begonnen und es verwundert daher nicht, wenn Stahlhersteller bereits über ein hohes Digitalisierungs- und Automatisierungspotential verfügen.
Mit Hilfe von SPS (Speicher Programmierbaren Steuerungen) in Kombination mit Datenbanken, PC-Steuerungen, Wartentechnik und Visualisierungssystemen konnten ganze Fertigungsstraßen und auch komplexe Prozesse automatisiert und visualisiert werden. In den 1980er Jahren betrat die der S3-Steuerung von Siemens die Weltbühne. Ab den 1990er Jahren folgte dann die überaus erfolgreiche S5 SPS ebenso von Siemens und aktuell seit Anfang der 2000er Jahre werkelt, steuert und überwacht die S7-SPS von Siemens eine Vielzahl von Fabiken, Produktionsstraßen und Maschinen. Auch Klöckner, ABB, Alan Bradly, Mitsubishi und viele andere Elektronik-Konzerne entwicklen und vertreiben SPS-Steuerungen.
Moderne CNC-Steuerungen, die in Schneidmaschinen zum Einsatz kommen, beinhalten neben der numerischen Steuerung der Achsen auch die erforderlichen SPS-Funktionen für das Schalten und Überwachen der Schneidanlagen, so dass in der Regel keine externen zusätzlichen SPS erforderlich sind. Häufig kommen CNC-Systeme vom Beckhoff, Bosch, Eckelmann, Haidenhein, NUM, ProCom und anderen zum Einsatz.
Doch soweit wie in der Prozessautomatisierung ist man in der Schneidwelt beispielsweise im klassischen Anlagen- und Maschinenbau, bei Lohnschneidbetrieben, im Stahl- und Metallbau, Apparate- und Anlagenbau noch nicht.
In dem folgenden Bericht befassen wir uns mit einigen Grundlagen und gehen auf die Fragen vieler Anwender ein.
Was ist IIoT?
Den dritten Erfolgsfaktor im Bunde stellen die IIoT-Komponenten dar. IIoT steht für den Begriff „Industrial-Internet-of-Things“ und meint dabei eine Sensorik, die digital mit dem Internet verbunden ist und Daten für die Visualisierung und die Auswertung der Prozesse in einem industriellen Umfeld liefert.
Das industriell ausgerichtet IIoT unterscheidet sich wesentlich von IoT aus dem Privatbereich, das vermehrt im Smarthome-Bereich zum Einsatz kommt. Das industriell ausgelegte IIoT besitzt ein erhöhtes Sicherheits- und Netzwerk-Konzept, das den Anforderungen von Industriebetrieben entspricht.
Für die Steuerung komplexer Prozessen ist eine damit verbundenen hohe Sicherheit von Netzwerken und Servern erforderlich.
Wir sind davon überzeugt, dass eine sinnvolle Digitalisierung der Fertigungslinien sich für die Schneidbranche lohnt, wenn das Unternehmen den für seine Belange erforderlichen Use Case definiert und gefunden wird. Eine Digitalisierung umfasst neben der Vernetzung der Systeme, dem Einsatz von IIoT-Komponenten auch eine zuvor statt gefundene Optimierung der Prozessschritte durch Automatisierung. Und genau dies wollen wir im folgenden besprechen.
Industrie 4.0: Von der Theorie zur Praxis
Hintergründe von der Theorie bis zur Praxis von Industrie 4.0.
Am Deutschen Schneidkongress 2018 präsentierten wir eine Reihe von Referenten, die primär die Grundlagen von Industrie 4.0 erklärten.
Wir verweisen auf ein exemplarisches Referat von Dr. Middeldorf zu diesem Thema. Die Kongressteilnehmer nutzten die Gelegenheit, um sich mit den dahinter stehenden Theorien zu Industrie 4.0 bekannt zu machen. Schließlich benötigt ein neues Thema auch eine gewisse Anlaufzeit bis die Vorteile für den Einzelnen erkennbar sind.
Zum Zeitpunkt 2018 mangelte es noch an echten Einsatzanwendungen in der Schneidindustrie von Seiten der Anwender. Anders sah dies hingegen bei den Maschinen- und Softwareherstellern aus, die gerne auf den Digitalisierungszug aufsprangen und im Interesse der Anwender sinnvolle Use Cases erforschten.
Von Seiten der Hersteller existierten von Beginn an Vorstellungen in Richtung:
- Überwachung der Wartungszustände und des Verschleißes einer Schneidanlage,
- Sicherung der Garantiebedingungen durch Labeln von Ersatzteilen, so dass eventuell minderwertige Verschleißteile fremder Anbieter nicht oder nur eingeschränkt einsetzbar sind und so vor Garantieverlust oder Fehlfunktionen schützen sollen,
- Prädiktive Wartung, die rechtzeitig den Service ordert noch bevor es zu einem unangenehmen und eventuell teuren Maschinenstillstand kommt.
- Die Softwarehersteller sahen die Vorteile der Digitalisierung in der Darstellung von Maschinenauslastungen, Auftragszuständen, Fertigungsständen, der Teileverfolgung, der Intralogistik, bis hin zu automatischer Nachbestellung von Blechen oder Verschleißteilen, falls diese in absehbarer Zeit zur Neige gehen sollten.
- Eine komplette Produktionsplanung sollte per Software im Rahmen eines Machine Management Systems (MMS) umsetzbar sein.
Welche Use Cases für Digitalisierung in der Schneidindustrie gibt es?
Einsatzmöglichkeiten für eine sinnvolle Digitalisierung in der Schneidbranche
Vorschläge für Use-Cases, die in Unternehmen der Schneidbranche relevant sein können:
- Wenn Aufträge in den roten Bereich abdriften, wäre es da nicht hilfreich, jemand oder etwas würde rechtzeitig Alarm schlagen, am besten in Echtzeit?
- Die Zeiten ändern sich, ebenso das Kaufverhalten. Kann man mit Kleinlosigkeit noch wirtschaftlich produzieren?
- Bevor ein Kunde sich verärgert abwendet, wäre es doch gut zu wissen, was die Ursachen für seine Unzufriedenheit sind, bevor sie überhaupt entstehen.
- Kann die Kundenbindung erhöht werden, wenn der Auftraggeber in Echtzeit der Fertigung seiner Teile zusehen kann oder den Lieferzustand seiner Bestellung zu jeder Zeit erfährt?
- Welche Probleme in der Fertigung führten zu welchen Fehlzeiten?
- Welche Ursachen gab es für die roten Zahlen des Auftrags oder einer bestimmten Position?
- Wechselt eine relevante Maschine der Fertigung in Störung, wäre es doch ganz hilfreich, wenn man die wartenden Aufträge ohne viel Aufwand auf andere Fertigungsmöglichkeiten verlegen könnte?
- Wo befindet sich der Auftrag 4711, wie ist der Fertigungsstand?
- Wann ist die Krankapazität am Ende?
- Bis wann muss der Spediteur vor Ort sein?
- Wann braucht die Maschine 3 eine Wartung bevor sie in Störung geht?
- Was sind die Engpässe in der Fertigung?
- Welche Maschinen arbeiten unwirtschaftlich? Welche Stellschrauben müssen bewegt werden?
Dies sind nur einige der möglichen Use-Cases, auf die man heute durch eine vernünftige Digitalisierung Antworten erhalten kann und die dabei helfen, seine Fertigung LEAN und AGIL in eine moderne Zeit zu überführen.
Welche Digitalisierungskonzepte gibt es?
Dabei beobachten wir zwei grundlegende Digitalisierungskonzepte, die verschiedene Einsatz-Szenarien und damit verschiedene Use Cases in der Schneidbranche bedienen.
- Neue Schneidsysteme setzen gerne auf einer digitalen OPC-UA Schnittstelle auf und führen darüber die digitalen Daten in einer Cloud zusammen. Hier steht primär die Maschine des Herstellers im Fokus. Die Datenerfassung geht runter bis auf die Ebene der Antriebsregler, erfasst Ströme, Verbräuche, Drücke oder Beschleunigungsdaten und ermittelt quasi einen „Fitness“-Zustand der Schneidanlage oder des Schneidaggregats.
- Das andere Digitalisierungskonzept basiert auf einer geräteunabhängigen Kopplung nahezu aller Maschinensysteme der Fertigung mit Hilfe eine Art „Blackbox“, in der über potentialfreie Kontakte eine Anzahl von Schaltzuständen im Schaltkasten einer Maschine abgefragt werden. Mit Hilfe dieser einfachen und universellen Methode lassen sich in der Regel zwar keine beziehungsweise nur eingeschränkte Aussagen über den Wartungszustand der Maschine treffen, dafür aber sämtliche Maschinen einer Fertigung, beispielsweise bis zur 70 Jahre alten Drehbank oder Kantbank miteinander auswerten und so Auslastungs-, Beschickungs-, Stillstandzeiten etc. ermitteln und über die gesamte Fertigung anzeigen.
Sehr wahrscheinlich werden viele Unternehmen beide Methoden einsetzen, neue Maschinen über eine OPC-UA Schnittstelle erfassen und den Bestand an Maschinen geräteunabhängig mit Blackboxen überwachen.
Was ist eine OPC-UA Schnittstelle?
OPC-UA steht für „Open Platform Communications Unified Architecture“. Die Architektur des serviceorientierten Kommunikationsprotokolls mit seiner Sammlung von Spezifikationen erlaubt über Gateways die Kopplung von Maschine-zu-Maschine und stellt damit ein wesentliches Element für die Digitalisierung im Zeitalter von Industrie 4.0 dar.
Der Vorteil solcher Schnittstellen liegt darin, dass hier ein weit verbreitet Kommunikationsprotokoll verwendet wird, dass für Industrie 4.0-Anwendungen einsetzbar ist. Eine Vernetzung von Maschinen auf dem untersten Maschinenlevel ist nur möglich, wenn die Systeme eine gemeinsame Sprache verwenden. Genau dies liefert OPC-UA.
Die mittlerweile weit verbreitete OPC-UA Schnittstelle findet man in immer mehr Aggregaten, wie beispielsweise Plasma-Stromquellen, Wasserstrahlhochdruckpumpen, Lasergeneratoren oder kompletten Schneidmaschinen wieder. Immer mehr Hersteller verknüpfen ihre Produkte mit einer OPC-UA Schnittstelle.
Was bringt mir die Digitalisierung in meinem Betrieb?
Diskussion von Use Cases im Schneidbetrieb
Der Nutzen der Digitalisierung hängt vom verwendeten Digitalisierungskonzept ab. Möglicherweise werden Unternehmen im Rahmen von Modernisierungen sogar eine Kombination beider Digitalisierungsarten, wie oben erklärt, einsetzen.
Wir spielen einige Use Cases gedanklich durch.
Ein Schneidbetrieb investiert in einen neuen Laserschneider. Der Laser besitzt eine OPC-UA Schnittstelle und sendet die erfassten Daten in eine dafür geeignete Cloud. Der Hersteller wertet diese Daten aus. Auf der Kundenseite bietet der Hersteller eine MMS-Software an, die ebenfalls die Daten aus der Cloud anzapft sowie mit weiteren Fertigungsdaten, ERP, Lagerdaten etc. kombiniert.
Das Ergebnis: Der Schneidbetrieb erhält nun eine transparente Fertigung auf der Basis der neuen Schneidanlage auf extrem tiefer Maschinenebene des Lasers, denn der Hersteller erfasst auch Daten, die auf den ersten Blick für den Kunden relativ unbedeutend zu sein scheinen, beispielsweise die Temperatur eines Lagers oder die Dehnungskräfte auf einer Welle. In der Folge jedoch können diese Daten sehr wohl Bedeutung erhalten, wenn die Serviceabteilung des Maschinenhersteller beispielsweise rechtzeitig einen Defekt lokalisieren kann, bevor ein teurer Maschinenausfall eintritt.
Als nachteilig hingegen könnte ein Anwender über zu hohe Servicekosten besorgt sein und Abstand von einer serviceorientierten Digitalisierung nehmen.
Evtl. bringt diese Insellösung dem Anwender nicht den gewünschten Erfolg, da er in seiner Fertigung 25 weitere Maschinen und Prozesse abdecken muss, die hingegen von dieser Art der Digitalisierung keinen Nutzen haben, da sich der alte vorhandene Maschinenpark nicht auf dieser Lowlevel Ebene kombinieren bzw. digitalisieren lässt. Alle Maschinen auf den neusten Stand zu modernisieren oder auszutauschen, werden wohl nur wenige Betriebe zu leisten vermögen.
Damit besteht eine gute Insellösung, die aber weiter ausgebaut werden muss, damit sich der erhoffte Vorteil einstellt.
Alternativ gibt es immer mehr Hersteller dieser Blackboxen, die über potentialfreie Kontakte mit nahezu jeder Maschine verknüpft werden können. Die Auswertemöglichkeiten sind zwar bei weitem geringer, als auf der Basis einer OPC-UA Schnittstelle, doch die Flexibilität die gesamte Fertigung zu geringen Kosten einzubinden, zu digitalisieren besitzt ihren Charme.
Diese Blackbox kann über eine elektrische Verbindung ihrer Kontakte zu den Schützen oder der SPS der jeweiligen Maschine einfache Steuersignale erfassen, beispielsweise
- „Maschine ein“,
- „Strom fließt“,
- „Hydraulik ein“,
- „Pneumatik gestartet“ etc.
Zusätzlich kann der Maschinenbediener über eine externe Schaltbox an der Maschine Signaltaster betätigen für die Signalmeldung von z.B.:
- „Maschine in Störung“,
- „warte auf Material“,
- „warte auf den Kran“,
- „Maschine gereinigt“,
- „Störung beseitigt“ etc.
Diese wenigen aber bedeutenden Steuersignale liefern in Gänze wertvolle Aussagen über jede einzelne Maschine und die gesamte Fertigung. Die Daten werden je nach Herstellermodell über eine Cloud oder auch über den lokalen Server gesammelt. Die darauf aufsetzende Software kann so parametriert werden, wie es die Betriebsleitung, die Arbeitsvorbereitung oder die kaufmännische Abteilung benötigen.
Mit dieser nennen wir es mal „Industrie-3.0“-Digitalisierung besitzt man nur wenig Daten über den Lowlevel-Maschinenzustand und Aussagen zum Thema Predictive Maintenance lassen sich so kaum erzeugen, dafür erhält man aber eine komplette Fertigungsdigitalisierung aller Maschinen mit MMS und somit eine doch recht hohe Planungs- und Kostenübersicht mit geringem Aufwand.
Für viele Betriebe wird es einen goldenen Mittelweg geben, der beide Digitalisierungskonzepte verwendet.
Neuanlagen werden gleich auf höchsten Level mit OPC-UA Schnittstelle angeschafft und die alten Bestandsanlagen über eine Blackbox-Lösung additiv gleich mit digitalisiert. Alle Daten laufen dann in einer MMS-Software zusammen, sei es in einer Cloud oder auf dem eigenen Unternehmensserver. MMS-Software muss in der Regel an die Bedürfnisse des Kunden angepasst werden. 0815-Lösungen sind unwirtschaftlich, da jeder Betrieb andere Strukturen hat und auf andere KPI (Key Performance Indicator ) Wert legt.
AGIL + LEAN = f(Digital)
Fazit: Wer als KPI beispielsweise den OEE-Wert installiert und über seine Fertigung laufen lässt, erfährt sehr zuverlässig, an welchen Stellen im Betrieb Wirtschaftlichkeit verloren geht. MMS-Software ermittelt Auslastungen, Fertigkeitszustände, überwacht und koordiniert die Intralogistik und managed Kapazitätsüberlastungen. Unternehmen berichten, dass mit einer vernünftigen Digitalisierung Einsparungen im zweistelligen Prozentbereich möglich sind, Personal in seinen täglichen Aufgaben entlastet wird, Fehler reduziert werden und Kundenzufriedenheit optimiert wird.
Ist das nicht ein erstrebenswerter und sinnvoller Use Case für Sie?
Wenn ja, sprechen Sie uns an. Gerne unterstützen wir Sie in Ihrer Planung!
Ist eine "prädiktive Wartung" bereits Industrie 4.0?
Nein, der Einsatz einer prädiktiven Wartung erlaubt noch keine hinreichenden Schlüsse auf eine Digitalisierung gemäß Industrie 4.0!
Prädiktive Wartungen gab es bereits lange vor Industrie 4.0. So konnte man bereits in den 1990er Jahren durch eine optionale Fernwartung über geeignete Sensoren und einem ISDN- oder später einem Internetanschluss fast jede Maschine von Hersteller fernwarten. Da jedoch kaum ein Anwender bereit war, diese Mehrkosten für Sensorik zu bezahlen, war dafür auch kein Markt entstanden, so dass die Fernwartungspakete nicht oft eingesetzt wurden und damit auch nicht besonders weit entwickelt waren. Man war bereits vor 20 Jahren technisch in der Lage eine prädiktive Wartung vorzunehmen, wenn der Markt dafür bereit gewesen wäre.
Hierzu weitere Beispiele, die keinen hinreichenden Schluss auf eine Industrie 4.0-Anwendungen zulassen:
- Wer glaubt, er schaffe das Faxgerät ab und versende jetzt nur noch PDF-Dateien vom Computer hat noch lange kein Industrie 4.0.
- Wer meint, seine Produktion auf Papierlosigkeit umgestellt zu haben, sei für die Zukunft gerüstet, den müssen wir auch enttäuschen - auch das ist kein Industrie 4.0.
- Wer glaubt, er habe sich die modernste Maschine mit App-Überwachung eingekauft und besitze dadurch Industrie 4.0, irrt sich!
Wer verstehen will, was Industrie 4.0 bedeutet, möge sich die Definition noch einmal genau anschauen: Industrie 4.0 umfasst die "Steuerung und Überwachung der gesamten Wertschöpfungskette eines Produkts bis hin zum Recycling."
Lieber "Industrie 3.0" in der Hand als "Industrie 4.0" auf dem Dach!
Dieses umgewandelte Sprichwort ist jedem geläufig, es zeigt jedoch plakativ die Diskrepanz und wirft die Fragen auf, die sich für viele Unternehmen hinter dem Stichwort "Digitalisierung" verbergen.
Was ist mit der Aussage "lieber Industrie 3.0 statt Industrie 4.0" gemeint?
Damit man seine Fertigung vernetzen kann und diese Industrie 4.0-tauglich wird, benötigt man Daten, die aus der Produktion stammen. Daten von Antrieben, Sensoren, Wegmeldern, Erfassung von Strömen, Füllmengen, Durchflüßen, Drücken, Temperaturen etc. die über IIoT Sensoren ermittelt, egsammelt und übertragen werden. Aber auch die Erfassung von Zeiten, Kosten ist erforderlich. Man benötigt also digitalisierbare Prozesse und Produktionsmittel. In vielen Betrieben verrichten 10, 15 oder 25 Jahre alte Schneidanlagen noch immer ihre Dienste und diese sind nicht in der Lage die erforderlichen Signale und Messgrößen zu liefern.
Hier hat zunächst eine Modernisierung statt zu finden, denn ohne Messgrößenerfassung gibt es auch keine Steuerung, keine Digitalisierung.
Und genau an dieser Stelle hakt es bei vielen Unternehmen.
Industrie 4.0 erfordert den Umbau des gesamten Unternehmens
Industrie 4.0 verfolgt das Ziel einer transparenten Vernetzung der Produktion. Wurden neue Maschinen installiert oder alte Maschinen so modernisiert, dass sie in der Lage sind, digitalisierte Prozesswerte zu erfassen und zu verarbeiten, so ist der erste Schritt in Richtung Industrie 4.0 getan. Doch viele weitere Schritte sind dann noch zu gehen. Denn es gilt alle Wertschöpfungsprozesse und Gewerke des Unternehmens in den Vernetzungsprozess von Industrie 4.0 zu integrieren, also vom Vertrieb angefangen, über der Kalkulation, der AV, der Fertigung, bis zur Verladung und dem Transport der Zuschnitte und wenn möglich die Verfolgung des Teils vom Verbau bis zum Recycling zu modellieren.
Digitalisierung bringt keine Vorteile, wenn am Ende:
- die Kosten des Zuschnitts noch immer unbekannt sind,
- keine Antwort auf den Termin der Fertigstellung des Zuschnitts gegeben werden kann,
- die Rüstzeiten, Verbrauchs- und Prozesskosten unbekannt bleiben oder keinen positiven Einfluss auf die Logistik des Unternehmens besitzen,
- nicht klar wird, welche Anlage welche Kosten erzeugt und wie diese auftragsbezogen angefallen bzw. aufzuteilen sind.
Und genau dies meinen manche Unternehmer, wenn sie diese bescheidene Aussage treffen, "mir wäre schon mit Industrie 3.0" geholfen.
Übersetzt bedeutet das so viel wie, man wäre bereits glücklich, wenn man mit den Bordmitteln des gegenwärtigen Zustands die Möglichkeiten hätte, sich eine Kontrolle über Preise, Kosten und Auslastungen zu verschaffen. Die Mittel dazu existieren bereits seit vielen Jahren, doch wie es scheint, erfolgte erst mit der Industrie 4.0-Diskussion der nötige Änderungsanschub in den Entscheiderköpfen.
Schneidbetriebe schneiden Stahl oder andere Stoffe
Schneidbetriebe produzieren keine Maschinen, sondern sorgen dafür, dass aus Stahl oder einem anderen Stoff ein passendes Stück für die Weiterverarbeitung hergestellt wird und daher sieht eine Automatisierung in der Schneidbranche ganz anders aus, als bei Siemens, Bosch und Co. Standardkonzepte von Industrie 4.0-Vorzeigebetrieben können nur Anregungen geben, jedoch keine Pauschallösung für den Schneidbetrieb liefern. Zu individuell sind die Anforderungen für diesen Bereich und seine typischen Produkte.
- Wie sieht das passende Industrie 4.0-Geschäftsmodell für Schneidbetriebe aus?
- Was ist zu tun, wenn man Industrie 4.0-tauglich werden möchte?
Wir stehen noch am Anfang dieser Gedanken in unserer Branche. Am Deutschen Schneidkongress® 2018 in Essen haben wir zu diesem Thema 7 Experten eingeladen und dieses Thema von allen Seiten gezielt beleuchtet. Und hier stellen wir Ihnen nun weitere Informationen vor und wünschen Ihnen viel Freude beim Studieren, beim Anwenden und Umsetzen.
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