Anforderungen an Schneidbetriebe im Rahmen der DIN EN 1090
Autor: Dipl.-Ing. Dennis Weiler, HWK Handwerkskammer, Koblenz
Anlass: Referat am Deutschen Schneidkongress® 19.04.2018 in Essen
Ausgangssituation
Um im bauaufsichtlichem Bereich thermische Schneidverfahren einsetzen zu dürfen, sind zur Qualitätssicherung qualifizierte Schneidverfahren nach DIN EN 1090-2 zwingend erforderlich.
Mit dem Erscheinen der DIN EN 1090 ergeben sich nicht nur für Schweißbetriebe erweiterte Anforderungen an die Qualitätssicherung. Betroffen sind ebenfalls alle Unternehmen, die automatisierte thermische Schneidverfahren im Rahmen der Herstellung von Stahltragwerken einsetzen. Im Folgenden soll ein Überblick der Anforderungen an Schneidbetriebe gegeben und auf Problematiken eingegangen werden.
Doch was steckt dahinter: Thermische Schneidverfahren erzeugen stets eine Wärmebeeinflussung des zu schneidenden Grundwerkstoffes, welche bei fehlerhaften Schneidparametern zu unerwünschten Eigenschaftsänderungen der Grundwerkstoffe führen können. In Kombination mit einer ungünstigen Schneidoberfläche kann dies zur Gebrauchsuntauglichkeit des Schneidteils führen. Eine dadurch negativ beeinflusste Schwingfestigkeit kann in Folge von wechselnden Beanspruchungen zu frühzeitigem Bauteilversagen führen und so enorme Schäden verursachen.
Zielsetzung
Qualifizierung thermischer Schneidverfahren im bauaufsichtlichem Bereich entsprechend DIN EN 1090-2.
Der Beitrag zeigt die metallurgischen und geometrischen Einflüsse der thermischen Schneidverfahren auf. Schadensfälle verdeutlichen welche Priorität der Qualitätssicherung beim thermischen Schneiden zugesprochen werden muss.
Es wird gezeigt wie im Stahlbau entsprechend DIN EN 1090-2 die Qualität durch qualifizierte Schneidverfahren sichergestellt wird.
Lösungsansatz
Was ist die DIN EN 1090-1:2012-02?
Seit Juli 2014 sind Bauprodukte, die auf dem europäischen Binnenmarkt in Verkehr gebracht werden,
CE-Kennzeichnungspflichtig. Grundlage dafür bildet die DIN EN 1090-1 in Verbindung mit DIN EN
1090-2:2011-10 für Stahltragwerke bzw. DIN EN 1090-3:2008-09 für Aluminiumtragwerke. Diese
Normen ersetzen die nationalen Regelwerke DIN 18800-7:2008-11 bzw. DIN V 4113-3:2003-11 und
sollen damit europäisch vereinheitlichte Anforderungen an Tragwerke aus Stahl- und Aluminium
schaffen.
Anforderungen an Schneidbetriebe im Rahmen der DIN EN 1090:
Für Unternehmen, die thermische Schnitte zur Herstellung von Stahltragwerken ausführen, ist im Gegensatz zu Schweißbetrieben eine Zertifizierung nach DIN EN 1090 durch eine anerkannte Stelle nicht erforderlich.
Allerdings scheibt die DIN EN 1090-2:2011-10 für das thermische Schneiden (autogenes Brennschneiden, Plasmastrahlschneiden, Laserstrahlschneiden, etc.) von Stählen eine regelmäßige Eignungsprüfung der im Unternehmen eingesetzten Schneidprozesse vor.
Grundlagen dieser Eignungsprüfungen stellen dabei Schneidanweisungen dar, die alle notwendigen Angaben zur Herstellung eines spezifischen Schnittes enthalten. Für jeden Schneidprozess sind zur Eignungsprüfung des Unternehmens anhand der durch das Unternehmen erstellten Schneidanweisungen vier Prüfstücke herzustellen und entsprechend DIN EN ISO 9013 auf die Schnittqualität zu Prüfen. Die Anforderungen der Schnittqualitäten nach DIN EN ISO 9013 sind in Abhängigkeit der entsprechenden Ausführungsklassen in DIN EN 1090-2:2011-10 definiert. Hierbei werden 4 Ausführungsklassen unterschieden, wobei Ausführungsklasse 1 (EXC1) z. B. für einfache Metallbaukonstruktionen wie Geländer und Ausführungsklasse 4 (EXC4) z. B. für dynamisch beanspruchte Konstruktionen wie Eisenbahnbrücken anzusetzen ist.
Prüfstücke und Prüfung:
Die aus den in der Fertigung eingesetzten Konstruktionsmaterialen herzustellenden Prüfstücke bestehen aus einem geraden Schnitt des dicksten Konstruktionsmaterials, einem geraden Schnitt des dünnsten Konstruktionsmaterials, einer scharfkantige Ecke mit einer repräsentativen Dicke und einem kurvenförmiger Bogen mit einer repräsentativen Dicke. (Abb. 1)
Geprüft wird dabei an jedem Prüfkörper die Rechtwinkligkeits- oder Neigungstoleranz und die gemittelte Rauhtiefe. Eine Härteprüfung ist dabei nur an Grundwerkstoffen, die aufgrund ihres Gefüges und ihrer chemischen Zusammensetzung zu Aufhärtungen neigen, durchzuführen. Damit ist bei den austenitischen Grundwerkstoffen eine Härteprüfung nicht erforderlich. Hingegen jedoch selbst bei Werkstoffen der Festigkeitsklasse S235.
Eine Härteprüfung ist jedoch bei allen umwandlungsfähigen ferritischen Werkstoffen erforderlich, da es durch eine oftmals sehr geringe Wärmeeinbringung verbunden mit kurzen Abkühlzeiten zu Gefügeumwandlungen und Aufhärtungen kommen kann.
Schadensfall durch nicht geeignete Schneidparameter:
Im vorliegenden Fall handelt es sich um ein Halbzeug, dass durch thermisches Schneiden hergestellt wird. Eine im Anschluss folgende Biegekaltumformung erzeugt das Fertigteil. Als Werkstoff kam ein S355J2+N mit einem Kohlenstoffäquivalent (CEV) von 0,43% sowie einer Erzeugnisdicke von 30 mm zum Einsatz, der durch das automatisierte autogene Brennschneiden aus einer Mittelformatplatte ausgearbeitet wurde. Ein Vorwärmen vor dem Brennschneiden hat nicht stattgefunden. Bei der anschließenden Biegekaltumformung mit moderatem Biegeradius kam es bereits bei einem Biegewinkel von ca. 15° zum Versagen des Bauteils durch Risseinleitung (Abb. 2).
Untersuchungen zeigten, dass die gemittelte Rauhtiefe den höchsten Anforderungen nach DIN EN 1090-2:2011-10 genügen. Diese lagen im Bereich von Rz5=25µm bis 40µm. Bei der anschließenden Härteprüfung im Bereich der Schnittkanten wurden Härtewerte von bis zu 490HV10 festgestellt.
Die Zulässigkeitsgrenze liegt bei dem hier eingesetzten Werkstoff bei maximal 380HV10. Dies entspricht einer ca. 280% höheren Härte im Vergleich zum unbeeinflussten Grundwerkstoff, der im Mittel eine Härte von ca. 175HV10 aufweist. Wie zu erwarten zeigte eine Mikrogefügeuntersuchung ein Zwischenstufengefüge im Bereich der Schnittkante bzw. der Schadensstelle (Abb. 3).
Damit kann das im vorliegenden Fall äußerst schlechte Umformvermögen für den Werkstoff S355J2+N mit einer enormen Aufhärtungen und einem ungünstigen Gefügeaufbau im Bereich der Schnittkante begründet werden.
Anschließend durchgeführte Versuchsschnitte mit Vorwärmtemperaturen von 100°C ergaben Härtewerte von max. 220HV10. Die Aufhärtung lag damit lediglich bei 25%. Biegeversuche zeigten zufriedenstellende Ergebnisse ohne Risseinleitung bis zu einem Biegewinkel von 160°. Dieser Schadensfall zeigt, welche Bedeutung der Wahl geeigneter Schneidparameter, insbesondere der Vorwärmtemperatur zugesprochen werden muss.
Der Nachweis dieser korrekten Parameter ist damit nicht nur im bauaufsichtlichem Bereich im Rahmen der DIN EN 1090-2:2011-10, sondern auch im ungeregelten Bereich, wie z. B. im Maschinenbau, von enormer Wichtigkeit, um Schäden dieser Art zu vermeiden.
Curriculum Vitae des Autors: Dipl.-Ing. Dennis Weiler, HWK Handwerkskammer, Koblenz
Nach einer Ausbildung zum Industriemechaniker studierte Dennis Weiler Maschinenbau an der FH-Koblenz und absolvierte eine Ausbildung zum Schweißfachingenieur an der RWTH Aachen/SLV Duisburg.
Seit 2009 ist er als stellvertretender Leiter in der Schweißtechnischen Lehranstalt der Handwerkskammer Koblenz tätig.
Neben der Werkstoffprüftechnik umfasst sein Aufgabengebiet die Werkstofftechnische Beratung sowie Schadensanalyse in besonderen Bezug zur Schweiß- und Schneidtechnik.
Kontakt Autor:
Verantwortlich für diesen Beitrag: Dipl.-Ing. (FH) Dennis Weiler, IWE
Handwerkskammer Koblenz
Schweißtechnische Lehranstalt
E-Mail: dennis.weiler@hwk-koblenz.de
Webseite: www.hwk-koblenz.de
Anschrift:
Handwerkskammer Koblenz
August-Horsch-Str. 8
56070 Koblenz
Bei weiteren Fragen, wenden Sie sich bitte direkt an den Autor Dennis Weiler.
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