Wasser besitzt Energie - Wasserstrahlschneiden (engl. waterjetcutting)

"Steter Tropfen höhlt den Stein", sagt der Volksmund. Was hat das Wasserstrahlschneiden mit einem Tropfen zu tun? Viel, denn in jedem Tropfen Wasser steckt kinetische Energie. Wasser besitzt Energie, dies zeigt die Natur auf allen Teilen der Erde eindrücklich durch beeindruckende Wasserfälle, Auswaschungen oder ganze Land- und Erdabtragungen. Konstanter Wasserdruck und sei er noch so klein, trennt, trägt ab, schneidet. Doch was könnte ein Wassertropfen, der ein rasiermesserscharfes Sandkorn enthält und auf nahezu auf eine Geschwindigkeit von 1.000 m/sek beschleunigt wurde, alles aushöhlen? Man stelle sich diese Energie einmal vor, wenn dann noch 4.000 bar mit mehr mit 3,6 Liter/min für den nötigen Nachschub an weiteren Wassertropfen sorgen! Beim Wasserstrahlschneiden, im englischen Sprachgebrauch "waterjetcutting" genannt, wird diese Energie gezielt eingesetzt, um damit Materialien zu trennen. Mit Hilfe der Wasserstrahlschneidtechnik bzw. des "Waterjetcuttings" werden Stahl, faserverstärkte Kunststoffe, Glas, Granit oder Lebensmittel formpassend zugeschnitten. Mit dem Wasserstrahl können nahezu fast alle Materialien geschnitten werden.
Historie des Wasserstrahlschneidens
Für viele Anwender stellt das Wasserstrahlschneiden eine willkommene Ergänzung zum Laserschneiden oder Fräsen dar, was nicht nur daran liegt, dass es sich hierbei um ein vergleichsweise kostensparendes Verfahren handelt. Das Wasserstrahlschneiden hinterlässt zudem nicht nur saubere Schnittkanten, sondern verursacht, im Gegensatz zu den thermischen Verfahren, auch kaum bis keine Materialgefügeveränderung und minimiert auf diese Weise den Bedarf an Nachbearbeitung der Werkstücke. Zudem ist das Wasserstrahlschneiden ein Verfahren, mit dem sich beinahe alle Materialien, von Gummi über Marmor bis Metall, schneiden lassen. In der Historie des Wasserstrahlschneidens tauchen eine Reihe von Entwicklungen auf, die zum Beherrschen des Wasserstrahlschneidverfahrens führten, dass wir heute kennen. Es ist daher nicht einfach und nicht eindeutig klar, an welcher Stelle der Entwicklungen wir einen Startpunkt setzen.
Einsatz der Wasserstrahlschneidtechnik seit Anfang des 20. Jahrhunderts
Die Wasserstrahlschneidtechnik diente Anfang des 20. Jahrhunderts dem Schürfen in Kies- und Tonablagerungen. Der dabei eingesetzte Druck lag im unteren dreistelligen Bereich. Später setze man den Wasserstrahl auch für den Kohle- und Erzabbau ein.
In den 1960er Jahren dachte man bei Boeing an den Einsatz eines Wasserstrahls zur Bearbeitung von Verbundwerkstoffen im Flugzeugbau nach. Hierzu musste eine Techniologie entwickelt werden, die mit höheren Drücken sicher und unter Dauerlast arbeiten kann.
Manche Hersteller beanspruchen der Erfinder der Wasserstrahlschneidtechnik zu sein, als der Einsatz der ersten Hochdruckpumpen zum Einsatz kam.
Manche Hersteller haben den Einsatz der Abrasivmittel zur Industriereife gebracht. Sind sie die wahren Erfinder des Wasserstrahlschneidens?
Möge jeder für sich selber entscheiden, wann für jemanden ein Produkt zur Einsatzreife benutzbar ist und wann nicht. Fest steht, dass eine Vielzahl an Entwicklungsschritten, einer Zeitspanne von mehreren Jahrzehnten und den Einsatz vieler kluger Köpfe brauchte, die dazu beigetragen haben, dass wir heute eine so ausgereifte Technik einsetzen können und dafür danken wir ihnen. Wie so viele andere Entwicklungen auch, so war die Wasserstrahlschneidtechnik ein Prozess, der primitiv beim Schürfen von Kies begann und im HighTech-Bereich bis heute konstant weiter voran getrieben wird.
Industrietaugliches Schneiden mit einem Wasserstrahl
Die Entwicklung eines industrietauglichen Wasserstrahlschneidsystems gelang bereits 1971, Ingersoll-Rand, Schweden. Das ursprüngliche Ziel war das gratfreie und schnelle Schneiden von Holz. Anlagenhersteller entwickelten, unter dem Druck ständig steigender Nachfrage das Wasserstrahlschneiden beständig fort. Beispielsweise gelang es durch ein spezielles Verfahren Winkelfehler, die durch die Strahlaufweitung entstehen können, zu korrigieren. Diese Weiterentwicklung ermöglichte es Anwendern, auch relativ dicke Werkstücke unter Einsatz der Wasserschneidtechnik präzise zu schneiden.
Heute ist die Wasserstrahl-Hochdruckschneidtechnik aus der Industrie nicht mehr wegzudenken.
In den 1960er Jahren entwickelte der amerikanische Hersteller Omax eine industrietaugliche Pumpe für hohe Drücke und kontinuierliches Schneiden.
Reinwasserschneiden und Abrasivstrahlschneiden
Die Technik des Wasserschneidens kennt zwei unterschiedliche Verfahrensarten:
- Reinwasserschneiden und
- Abrasivstrahlschneiden
Einen einzigen Startschuss für das Wasserstrahlschneiden zu benennen stellt sich als gar nicht so einfach dar. Denn welche Entwicklungsstufe definiert man als das "Wasserstrahlschneiden"?
War es der Einsatz von Wasser unter Druck, so befinden wir uns eher im Bereich der 1920er Jahre, in denen man Wasser mit Hochdruck, wenn gleich dies zu Beginn nur Drücke um 100 bar waren, in den Goldminen in Kalifornien einsetzte.
Oder wir assoziieren das Wasserstrahlschneiden mit einer bestimmten Hochdruckpumpenart und landen in den 1960er Jahren in der US amerikanischen Flugzeugindustrie.
Legen wir den Fokus mehr auf den Schneidprozess, wird vielleicht das Abrasivschneiden für uns die Geburtsstunde sein, die in den 1970er Jahren zur Marktreife kam. Das Wasserstrahl-Abrasiv-Suspensionsverfahren WAS, bei dem das Abrasivmittel durch einen sehr hohen Druck von z.B. 1.500 bar in den Wasserstrahl eingebracht wird, fand hingegen erst in den 2010er Jahren die Marktreife.
Wo also, setzen wir die Historie für die Geburtsstunde für das Wasserstrahlschneiden an?
Wasserstrahlschneiden ist ein evolutionärer Prozess, der von Jahrzehnt zu Jahrzehnt weitere signifikante Entwicklungsschritte vollzieht. Eine Entwicklung baute auf einer vorherigen auf. Manche Vorstufe wurde zwar kein kommerzieller Erfolg, jedoch bot sie das Tor zu neuen Produkten, so dass wir heute eine Vielzahl leistungsfähiger und wirtschaftlicher Schneidsysteme unterschiedlichster Art zur Verfügung haben.
Nurwasser bzw. Reinwasser oder Abrasiv?

Weiche Stoffe oder gefrorene Lebensmittel werden mit Reinwasser bzw. Nurwasser im Wasserstrahlverfahren geschnitten. Harte Stoffe hingegen werden abrasiv geschnitten, d.h. dem Wasserstrahl wird ein spezielles Schleifmittel aus Sand beigegeben. Der Schneidkopf einer Abrasiv-Wasserstrahlschneidanlage besteht aus der Wasserdüse (aus Saphir, Rubin oder Diamant), der Abrasiv-Mischkammer, in der das Abrasivmittel beigemischt wird und dem Fokussierrohr, in der sich der Strahl beruhigt.
Funktionsweise einer Wasserstrahlpumpe nach dem Injektor-Prinzip

Mit Hilfe einer hydraulischen Pumpe wird der erforderliche Betriebsdruck für das Wasserstrahlschneiden von rund 4000 bar erzeugt und nahezu kontinuierlich aufrecht erhalten. Die Systeme mit 4.000 bar Schneiddruck entsprechen zur Zeit den am häufigsten vorkommenden Pumpenleistungen, wobei auch Systeme mit 6.000 bar Schneiddruck zum Einsatz kommen. Das Druckwasser wird über entsprechende Leitungen zum Schneidkopf der Wasserstrahlanlage geführt, der auf einer geeigneten Schneidmaschine montiert ist. Üblicherweise wird der Schneidkopf über einen X-Y-Koordinatentisch mit numerischer Steuerung betrieben.
Man unterscheidet bei der Wasserstrahltechnik die beiden Verfahren Nurwasser und Abrassiv. Beim Abrasiv-Verfahren wird zum Schneidstrahl ein geeignetes Schleifmittel (ein spezieller Granat-Sand) hinzugemischt.
Im Schneidkopf der Wasserschneidanlage verrichtet eine Düse aus Rubin, Saphir oder Diamant die Einschnürung des Wasserstrahls.
- Übliche Durchmesser der Düsenlöcher bei Nurwasser betragen um 0,5mm und kleiner.
Beim Abrasiv-Verfahren liegt der Düsen-Durchmesser um die 1,2mm und größer.
Für spezielle filigrane Schnitte und bei bestimmten Genauigkeitsanforderungen kommen beim Wasserstrahlschneiden bzw. "Waterjetcutting" aber auch Düsen mit viel geringerem Durchmesser zum Einsatz.
Mit Hilfe des Wasserstrahlschneidverfahrens können nahezu beliebige Materialien geschnitten werden.
Einsatzgebiete Wasserstrahlschneiden: Nurwasser vs. Abrasiv
Wasserstrahlschneidanlagen dürfen nicht als Ersatz für Plasmaschneiden, Laserschneiden oder Brennschneiden verstanden werden. Dieser Rechenansatz würde dem Nutzen der Wasserstrahltechnologie nicht gerecht werden. Jedes Schneidsystem, jede Schneidtechnologie hat ihre Berechtigung, ihre Stärken und ihren speziellen Aufgabenbereiche.
Einsatzgebiete Nurwasser:
- Nahrungsmittelindustrie z.B. gefrorener Fisch
- Konsumgüterindustrie: Verpackungsmaterial, Pappe, Papier, Möbel, Babywindel-Produktion
- Elektronik-Industrie: Leiterplatten-Trennung
- Motorenteile, Dichtungen
- Medizintechnik
Einsatzgebiete Abrasiv:
- Flugzeugindustrie: Titan- und Glasbearbeitung
- Automobilindustrie: Karosseriebearbeitung
- Anlagen- und Maschinenbau: Dampfturbinenräder, Leiträder, Guss-Bearbeitung
- Marmor, Stein, Kunststoffe, Verbundstoffe, etc.
- Aluminium, Stahl, Glas
Wer für die Zukunft plant, sollte Wasserstrahlschneiden in sein Portfolio mit hinein denken und überprüfen, ob dieses Verfahren nicht eine potentielle Chance für eine Produkt-Diversifikation beinhalten könnte!
Einzigartigkeit der Wasserstrahlschneidtechnik
Wasserstrahlschneidanlagen besitzen eine Flexibilität und materialschonende Abtragung, die sie einzigartig machen. Die hohe Flexibiltät mit der nahezu alle Stoffe geschnitten werden können, ist ebenso einzigartig, wie der geringe mechanische Einfluss sowie die thermische Neutralität, die das Materialgefüge nicht negativ beeinflusst. Aufhärtung der Schnittfugen sind ebenso wenig ein Problem, wie eine Randzonenaufhärtung der Schnittspalte.
Nicht ob, sondern wann?
Daher stellt sich nicht die Frage ob abrasiv Wasserstrahl oder Plasma das richtige Schneidverfahren sind - sondern vielmehr, wann ein Unternehmen sein Produkt-Spektrum um eine weitere Schneidmöglichkeit erweitern möchte?
Wenn Stahlschneiden zu Ihrem täglichen Geschäft zählt, dann bietet die Wasserstrahltechnik ungeahnte Möglichkeiten, natürlich mit einem anderem Stundensatz und mit anderen Randbedingungen, eventl. auch mit anderen Kunden, doch in jedem Fall auch mit der Chance auf weitere bzw. andere Einnahmequellen.
Erfahrungswert:
Schneidforum hat in der Krise 2008/2009 festgestellt, dass Unternehmen, die breiter aufgestellt waren und nicht nur von einem Produktsegment abhängig waren, beispielsweise dem Autogenschneiden von Dickblechen, besser durch diese Wirtschaftsflaute steuerten. Die Möglichkeit auch auf andere Produkte umzusatteln, neue Einsatzgebiete zu erschließen und dabei kaum Restriktionen zu besitzen, eröffnet dem Wasserstrahl ungeahnte Möglichkeiten und Chancen, die es unabkömmlich machen.
Will man, darf man, kann man, auf die Flexibilität und Vielfalt sowie den schier unermesslichen Einsatzmöglichkeiten des Wasserstrahlschneidens verzichten?
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